REIHENGESCHÄFTE UND UMSATZSTEUER

Ein Reihengeschäft ist ein Sonderfall der Warenlieferung. Man versteht darunter, dass meh­rere Unternehmer über dieselbe Ware Umsatzgeschäfte abschließen und die Ware im Rahmen der Beförderung oder Versendung direkt vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer gelangt. Bei derartigen Reihenge­schäften über die Grenze, können sich für die beteiligten Unternehmer auch steuerliche Re­gistrierungspflichten im Ausland ergeben.

 

Obwohl es sich um einen Sonderfall handelt, enthält das Umsatzsteuergesetz keine ge­sonderten Vorschriften über Reihengeschäfte. Derartige Sachverhalte sind daher nach den allge­meinen Vor­schriften zu beurteilen. Für die richtige umsatz­steuerliche Beurteilung müssen die Um­sätze zwischen den beteiligten Unternehmen getrennt voneinander beurteilt werden. Da für die Rechnungs­legung und die steuerlichen Auswirkungen ins­besondere der Lieferort ausschlag­gebend ist, ist daher für jeden Umsatz gesondert der Lieferort zu bestimmen.

 

Unabhängig von der Anzahl der beteiligten Unternehmen, wird bei einem Reihengeschäft die Ware nur einmal bewegt (vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer). Die Lieferung in der Umsatzkette, bei der einer der Vertragspartner die Beförderung entweder selbst durchführt oder beauftragt, wird daher als „bewegte Lieferung“ bezeichnet. Alle anderen Lieferungen davor oder danach werden als „ruhende Lieferungen“ bezeichnet.

 

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Für die Beurteilung des Lieferortes ist es also ausschlaggebend, ob es sich um eine „ruhende“ oder „bewegte“ Lieferung handelt. In Österreich kommen dabei folgende Regelungen zur Anwendung:

  • Verschaffung der Verfügungsmacht (Grundregel, ruhende Lieferung)Nach der Grundregel wird die Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zum Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. Diese Grundregel kommt für alle „ruhenden“ Lieferungen zur Anwendung.
  • Beförderungs- oder Versendungslieferung (bewegte Lieferung)
    Wird die Ware durch den Lieferer oder Abnehmer befördert oder versendet, so gilt die Lieferung als dort ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer beginnt; also dort, wo die Ware beispielsweise an den Spediteur übergeben wird.


Beispiel 1


Es wird vereinbart, dass der Kunde HAMBURG die Ware direkt von Wien abholt und nach Hamburg befördert
.

 

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Da mehrere Unternehmer Umsatzgeschäfte über dieselbe Ware abschließen und diese Ware direkt vom Hersteller an den Kunden gelangt (beim Großhändler kommt diese Ware nie an), liegt ein so­genanntes Reihengeschäft vor. Zur steuerlichen Beurteilung muss in der Folge zuerst festgestellt werden, welche Lieferung als „bewegte“ Lieferung gilt und anschließend der Lieferort für jeden Umsatz gesondert beurteilt werden.

 

  • Feststellung bewegte Lieferung
    Da die Beförderung vom Unternehmer HAMBURG durchgeführt wird, findet die bewegte Lieferung zwischen den Unternehmern GRAZ und HAMBURG statt.

  • Lieferung WIEN an GRAZ
    Somit ist die Lieferung des Unternehmens WIEN an den Großhändler GRAZ die ruhende Lieferung, da die Beförderung erst im nachfolgenden Schritt durchge­führt wird. Der Lieferort ist dort, wo dem Unternehmer GRAZ die Verfügungsmacht über die Ware verschafft wird. Dies ist üblicherweise mit dem Übergang des Risikos gleichzusetzen und erfolgt in diesem Fall in Wien, im Zeitpunkt der Abholung durch den Unternehmer HAMBURG.

    Der Umsatz ist daher in Österreich steuerbar und steuerpflichtig und die Rechnung vom Unter­nehmer WIEN an den Unternehmer GRAZ muss unter Ausweis der österreichischen Umsatzsteuer ausgestellt werden.

  • Lieferung GRAZ an HAMBURG
    Da die Beförderung durch den Unternehmer HAMBURG durchgeführt wird, findet zwischen den Unternehmern GRAZ und HAMBURG die bewegte Lieferung statt. Bei bewegten Lieferungen ist der Lieferort dort, wo die Beförderung der Ware beginnt, also wiederum Wien/Österreich.
    Der Umsatz ist daher in Österreich steuerbar und kann bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (vgl eccontis informiert 21/2016) als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei behandelt werden, da die Ware ins Gemeinschaftsgebiet gelangt.

    Der Unternehmer HAMBURG tätigt seinerseits einen innergemeinschaftlichen Erwerb in Deutschland, da die Beförderung in Deutschland endet.

Die steuerlichen Auswirkungen dieser Fallkonstellation stellen für alle Beteiligten keine besondere Herausforderung dar, da jeder seinen Umsatz in den üblichen Umsatzsteuervoranmeldungen zu erfassen hat.

 

Beispiel 2
 

Fallkonstellation wie Beispiel 1; es wird jedoch vereinbart, dass der Hersteller WIEN die Ware direkt von Wien nach Hamburg versendet.
 

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  • Feststellung bewegte Lieferung
    Da die Versendung vom Unternehmer WIEN durchgeführt wird, findet die bewegte Lieferung zwischen den Unternehmern WIEN und GRAZ statt. Die nachfolgende Lieferung wird als ruhende Lieferung beurteilt.

  • Lieferung WIEN an GRAZ
    In diesem Fall tätigt der Hersteller WIEN die bewegte Lieferung, da er die Versendung durchführt. Der Lieferort ist dort, wo die Versendung der Gegenstände beginnt, also Wien. Dieser Umsatz ist somit in Österreich steuerbar und kann bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen als innergemein­schaftliche Lieferung steuerfrei behandelt werden, da die Ware ins Gemeinschaftsgebiet gelangt.

    Dazu muss sich jedoch der Großhändler GRAZ in Deutschland steuerlich registrieren lassen (!) und unter seiner deutschen UID-Nummer auftreten. Der Großhändler GRAZ tätigt seinerseits in Hamburg einen innergemeinschaftlichen Erwerb, da die Lieferung in Deutschland endet und hat dies in seiner deutschen Umsatzsteuervoranmeldung zu erklären.

  • Lieferung GRAZ an HAMBURG
    Da zwischen den Unternehmern WIEN und GRAZ bereits eine bewegte Lieferung stattgefunden hat, kann es sich bei der Lieferung des Unternehmers GRAZ an den Unternehmer HAMBURG nur mehr um eine ruhende Lieferung handeln. Der Lieferort der ruhenden Lieferungen ist dort, wo die Ver­fügungsmacht verschafft wird. Der Kunde erlangt in diesem Fall die Verfügungsmacht in Hamburg, womit auch der Lieferort Hamburg ist.

    Dieser Umsatz ist daher in Österreich nicht steuerbar – er ist nach dem deutschen Umsatzsteuer­recht zu beurteilen. Der Unternehmer GRAZ muss somit eine Rechnung nach den deutschen Rechnungslegungsvorschriften ausstellen, auf der Rechnung deutsche Umsatzsteuer ausweisen, eine deutsche Umsatzsteuervoranmeldung abgeben und die Umsatzsteuer ans deutsche Finanzamt abführen.

 

Zusammenfassung

Gerade bei der Abwicklung innergemeinschaftlicher Lieferungen zwischen mehreren Unternehmern über die Grenze kann es zu ungewollten steuerlichen Registrierungspflichten im Ausland kommen. Diese steuerlichen Auswirkungen können jedoch durch die Beauftragung der Beförderung oder Versendung durch den „richtigen“ Unternehmer auch verschoben werden.

 

Da die europäischen Steuerbehörden immer enger zusammenarbeiten und es im Rahmen von Betriebsprüfungen zu erheblichen Umsatzsteuernachzahlungen im Zusammenhang mit falsch beurteilten innergemeinschaftlichen Lieferungen kommen kann, lohnt es sich jedenfalls, die bestehenden Abläufe zu grenzüberschreitenden Reihengeschäften zu überprüfen.

 

 


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