DER FREIE DIENSTVERTRAG
Seit einiger Zeit machen die Gebietskrankenkassen im Verbund mit den Finanzämtern Jagd auf sogenannte atypische Beschäftigungsverhältnisse. Im Zuge von Lohnabgabenprüfungen werden Formen der Zusammenarbeit, die sich außerhalb von Dienstverhältnissen abspielen sehr kritisch durchleuchtet, und nicht selten kommt es zu Umqualifizierungen mit sehr kostspieligen Folgen für den Auftraggeber. In vielen Fällen wäre wahrscheinlich ein freier Dienstvertrag die richtige Rechtsform für die Zusammenarbeit. Nachfolgend soll dargestellt werden, was die Merkmale freier Dienstverträge sind, was sie von echten Dienstverhältnissen unterscheidet und wie sie steuer- und sozialversicherungsrechtlich zu behandeln sind.
Ein sehr wesentliches Merkmal liefert bereits der Name dieser Beschäftigungsform. Die Bezeichnung als DIENSTverhältnis stellt klar, dass der Auftrag- bzw Dienstnehmer in erster Linie seine Arbeitsleistung schuldet und nicht einen bestimmten Erfolg. Darin liegt eine wesentliche Unterscheidung zum Werkvertrag, bei dem die Erstellung eines konkreten Werkes vereinbart wird. Nicht die bloße Bemühung soll belohnt werden, sondern ausschließlich die Vollendung eines vereinbarten Werkes. Wird nicht geliefert, wird auch nicht bezahlt. Der Dienstnehmer hingegen bekommt seine Bemühung, dh in der Regel seine Arbeitszeit bezahlt. Leistet er schlecht, hat er trotzdem Anspruch auf Entlohnung.
Wo liegt nun der Unterschied zwischen echtem und freiem Dienstverhältnis?
Generell lässt sich sagen, dass freie Dienstnehmer wesentlich weniger persönlich und organisatorisch in das Unternehmen des Dienstgebers eingebunden sind. Dies äußert sich in erster Linie darin, dass ihnen in der Regel die Wahl von Arbeitsort und Arbeitszeit freisteht. Meist arbeiten freie Dienstnehmer im Homeoffice zu Zeiten, die sie selbst bestimmen. Sie sind daher organisatorisch nicht so in das Unternehmen eingegliedert wie echte Dienstnehmer. Dieser Umstand zeigt sich auch darin, dass die Weisungsgebundenheit, die ein zentrales Merkmal von Dienstverträgen darstellt, bei freien Dienstnehmern wesentlich weniger stark ausgeprägt ist als im echten Dienstverhältnis. Die enge persönliche Abhängigkeit des Dienstnehmers erscheint daher beim freien Dienstvertrag gelockert. Merkmal dafür ist auch, dass sich freie Dienstnehmer grundsätzlich vertreten lassen können. Zwar sollten die Aufträge grundsätzlich vom Vertragspartner persönlich erbracht werden, jedoch besteht die Möglichkeit, sich von geeigneten Personen vertreten zu lassen. Auch kann der freie Dienstnehmer Aufträge ablehnen, was bei einem echten Dienstnehmer einer Arbeitsverweigerung gleichkommt und einen Entlassungsgrund darstellen kann. Schließlich ist es auch nicht unüblich, dass sich freie Dienstnehmer einige Betriebsmittel (zB Laptop oder Mobiltelefon) selbst besorgen und nicht alles vom Dienstgeber zur Verfügung gestellt bekommen.
Schon die Schilderung dieser Merkmale lässt erkennen, dass sich freie Dienstverhältnisse rechtlich nicht eindeutig einordnen lassen, da sie sich irgendwo in einem Zwischenbereich zwischen selb-ständiger und nichtselbständiger Arbeit bewegen. Und tatsächlich kommt es in arbeits-, steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht zu unterschiedlicher Behandlung. Während für die Sozialversicherung freier Dienstnehmer das ASVG zuständig ist, dass solche Personen daher grundsätzlich wie Dienstnehmer behandelt, gelten sie im Arbeitsrecht und im Steuerrecht als selbständige Unternehmer.
Sozialversicherung
Freie Dienstnehmer unterliegen der Pflichtversicherung nach dem ASVG. Wie bei echten Dienstnehmern auch, haben die Auftrag- bzw Dienstgeber die Dienstnehmerbeiträge einzubehalten und gemeinsam mit den Dienstgeberbeiträgen an die zuständige Gebietskrankenkasse abzuführen. Die Beitragssätze betragen für den Dienstnehmer 17,62 % und für den Dienstgeber 22,51 %. Bemessungsgrundlage für die Beiträge ist das vom Dienstnehmer in Rechnung gestellte Entgelt (ohne Umsatzsteuer). Legt ein freier Dienstnehmer daher seinem Auftraggeber eine Rechnung für erbrachte Leistungen, wird er den Rechnungsbetrag nur abzüglich der einbehaltenen Sozialversicherungsbeiträge ausbezahlt bekommen.
Lohnnebenkosten
Wie bei echten Dienstverhältnissen fallen auch für freie Dienstnehmer Lohnnebenkosten an. So sind vom abgerechneten Entgelt 3,9 % Dienstgeberbeitrag an den Familienlastenausgleichsfonds,
3 % Kommunalsteuer an die Gemeinde sowie ca 0,4 % (Höhe hängt vom Bundesland ab) Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag an die Wirtschaftskammer zu bezahlen. Bei diesen Abgaben sind freie Dienstnehmer den echten vollkommen gleichgestellt.
Umsatz- und Einkommensteuer
Im Bereich der Umsatz- und Einkommensteuer werden freie Dienstnehmer hingegen wie Unternehmer behandelt. Sofern ein freier Dienstnehmer pro Kalenderjahr mehr als EUR 30.000 (netto) in Rechnung stellt und somit die Kleinunternehmergrenze überschreitet, muss er daher wie jeder andere Unternehmer auch für seine Leistungen Umsatzsteuer in Rechnung stellen und regelmäßig Umsatzsteuervoranmeldungen abgeben. Im Bereich der Einkommensteuer erzielt ein freier Dienstnehmer betriebliche Einkünfte (aus selbständiger Arbeit oder Gewerbebetrieb) und muss für die Entrichtung der Einkommensteuer selbst sorgen. Im Unterschied zum echten Dienstnehmer muss der Dienstgeber nämlich bei freien Dienstverhältnissen keine Lohnsteuer einbehalten und an das Finanzamt abführen. Das ausbezahlte Honorar ist daher kein echter Nettolohn. Zwar wurden die Sozialversicherungsbeiträge bereits einbehalten, nicht aber die Einkommensteuer. Jeder freie Dienstnehmer ist daher gut beraten, sich einen entsprechenden Teil des Auszahlungsbetrages für die Bezahlung seiner Einkommensteuer zur Seite zu legen.
Arbeitsrecht
Da der freie Dienstnehmer nicht der arbeitsrechtlichen Definition von Arbeitnehmern entspricht, sind die meisten arbeitsrechtlichen Bestimmungen auf derartige Dienstverhältnisse nicht anwendbar. Insbesondere fehlen Ansprüche auf Urlaub oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und es sind die Kollektivverträge nicht anzuwenden. Dies hat zur Folge, dass es etwa keinen kollektivvertraglichen Mindestlohn gibt. Aber auch auf Weihnachts- und Urlaubsgeld haben freie Dienstnehmer keinen Anspruch. Nur wenige Bereiche des Arbeitsrechts sind kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung auch auf freie Dienstverhältnisse anzuwenden. So sind auch freie Dienstnehmer etwa Mitglieder der Arbeiterkammer und genießen die Segnungen des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes.
Mit dem freien Dienstverhältnis existiert daher eine Rechtsform der Zusammenarbeit, die eine Mischung aus nichtselbständiger Arbeit und unternehmerischer Tätigkeit darstellt. Diese Zwitterstellung spiegelt sich in der unterschiedlichen Behandlung im Steuer-, Sozialversicherungs- und Arbeitsrecht wider. In vielen Fällen atypischer Beschäftigungsverhältnisse wird das freie Dienstverhältnis aber die geeignetste Rechtsform darstellen, die zudem auch größere Rechtssicherheit als Werkverträge bietet. Da freie Dienstverhältnisse beitragsrechtlich (Sozialversicherung, Lohnnebenkosten) den echten Dienstverhältnissen nahezu gleichgestellt sind, ist die Motivation von Finanzämtern und Gebietskrankenkassen für etwaige Umqualifizierungen weitaus geringer. Außerdem erhält man durch die Nichtanwendbarkeit der meisten arbeitsrechtlichen Bestimmungen für beide Seiten eine höhere Flexibilität in der Ausgestaltung der Zusammenarbeit.