BESTEUERUNG VON KAPITALVERMÖGEN IM PRIVATVERMÖGEN
Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 erfuhr die Besteuerung von Kapitalvermögen in Österreich eine grundlegende Änderung. Waren zuvor lediglich Früchte aus Kapitalvermögen, wie etwa Zinsen oder Dividenden, Gegenstand der Kapitalbesteuerung, wird seit der Änderung auch eine Wertsteigerung des Stammes selbst (zB Anleihen oder Aktien) besteuert.
Neben dieser systematischen Neuregelung im Kernbereich der Besteuerung von Kapitalvermögen brachte das Gesetz zahlreiche weitere Änderungen.
Betroffen von der Kapitalvermögensbesteuerung ist nicht nur das Privatvermögen natürlicher Personen. Auch die Besteuerung von Kapitalanlagen im Betriebsvermögen oder etwa im Vermögen einer Privatstiftung wird von dieser Gesetzesnovelle erfasst.
Die seit 2011 geltende Rechtslage kennt nachstehende Einkünfte aus Kapitalvermögen als Haupttatbestände:
- Einkünfte aus der Überlassung von Kapital (zB Dividenden, Zinsen aus Sparbüchern und Anleihen)
- Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen (Veräußerung, Tilgung, Abschichtung) von Kapitalvermögen (zB Gewinne aus der Veräußerung von Aktien, GmbH Anteilen und Forderungswertpapieren)
- Einkünfte aus Derivaten (zB Optionen)
Im Folgenden wird die steuerliche Behandlung von Kapitalvermögen bei natürlichen Personen im Privatvermögen dargestellt:
Seit 01.01.2011 sind realisierte Wertsteigerungen generell – somit unabhängig von Behalte-dauer und Beteiligungsausmaß – steuerpflichtig und unterliegen, wie auch laufende Einkünfte aus Kapitalvermögen (zB Dividenden, Anleihezinsen), dem Sondersteuersatz von 27,5 % (bis 31.12.2015: 25 %). Sofern ein inländisches Kreditinstitut involviert ist, erfolgt die Besteuerung im Wege der von der Bank einzubehaltenden Kapitalertragsteuer („KESt-Abzug“).
1. ÜBERGANGSBESTIMMUNGEN
Die neue Rechtslage gilt nicht für sämtliches Kapitalvermögen. Die ab 01.01.2011 in Kraft getretene Neuregelung kommt lediglich für „Neubestand“ zur Anwendung. Neubestand ist:
- Anteile an Körperschaften (insbesondere Aktien, GmbH Anteile) und Investmentfonds, die nach dem 31.12.2010 entgeltlich erworben wurden und
- sonstige Wirtschaftsgüter und Derivate (insbesondere Anleihen und Zertifikate), die nach dem 30.09.2011 entgeltlich erworben wurden.
Wesentliche Beteiligungen nach der alten Rechtslage (das bedeutet zumindest 1 % Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft) werden in das neue System übernommen und unterliegen im Veräußerungsfall ebenfalls dem Sondersteuersatz von 27,5 %.
2. AUSNAHMEN VOM SONDERSTEUERSATZ
Folgende Einkünfte aus Kapitalvermögen unterliegen nicht dem Sondersteuersatz von 27,5 %, sondern dem ermäßigten Steuersatz von 25 %:
- Einkünfte aus Geldeinlagen und nicht verbrieften sonstigen Forderungen bei Kreditinstituten (insbesondere Zinsen aus Girokonten und Sparbüchern).
Folgende Einkünfte aus Kapitalvermögen unterliegen ebenfalls nicht dem Sondersteuersatz von 27,5 %, sondern dem progressiven Einkommensteuertarif:
- Einkünfte als stiller Gesellschafter,
- Privatdarlehen bzw nicht verbriefte private Forderungen (zB obligationenartiges Genussrecht),
- nicht öffentlich begebene Forderungswertpapiere (zB privat platzierte Anleihen) sowie
- Versicherungsleistungen (sofern steuerpflichtig).
3. STEUERERHEBUNG
Werden die Wertpapiere auf einem österreichischen Depot gehalten, so werden die Einkünfte aus Kapitalvermögen durch Abzug der Kapitalertragsteuer besteuert. Diese Einkünfte sind in die Steuererklärung nicht mehr aufzunehmen und bei der Berechnung des übrigen Einkommens nicht zu berücksichtigen (Endbesteuerung).
Demgegenüber sind etwa ausländische Kapitalerträge, die vom Steuerpflichtigen über ein ausländisches Bankdepot oder -konto bezogen werden oder Veräußerungsgewinne von GmbH-Anteilen (diese können nicht auf einem Depot liegen) – unter Berücksichtigung des Sondersteuersatzes von 25 % bzw 27,5 % – in die Steuererklärung aufzunehmen.
4. REGELBESTEUERUNGSOPTION
Es besteht jedoch keine Verpflichtung, diese (grundsätzlich endbesteuerten) Einkünfte dem Sondersteuersatz von 25 % bzw 27,5 % zu unterwerfen. Der Steuerpflichtige kann zur Regelbesteuerung optieren und damit sämtliche in- und ausländische Einkünfte aus Kapitalvermögen in die Veranlagung einbeziehen und zum Einkommensteuertarif besteuern. Dies ist sinnvoll bei einem steuerpflichtigen jährlichen Einkommen bis zu EUR 11.000,00 (hier fällt überhaupt keine Einkommensteuer an) oder bei einem Durchschnittssteuersatz unter 27,5 % (dh bei einem jährlichen Einkommen unter rund EUR 47.000,00).
5. DEPOTENTNAHME UND WEGZUG
Der Veräußerung gleichgestellt sind die Depotentnahme und der Wegzug. Die Depotentnahme bzw die unentgeltliche Depotübertragung (zB durch Schenkung) führt jedoch dann zu keiner Besteuerung, wenn bestimmte Meldeverpflichtungen beachtet werden und so eine lückenlose Erfassung der Einkünfte aus Kapitalvermögen gewährleistet ist.
Als Veräußerung gelten auch Umstände, die in Bezug auf das Kapitalvermögen zum Verlust des Besteuerungsrechts der Republik Österreich führen („Wegzugsbesteuerung“).
Gemeint sind damit etwa
- die Wohnsitzverlegung in das Ausland,
- die unentgeltliche Übertragung von Kapitalvermögen an einen Steuerausländer oder
- der Tod des Steuerpflichtigen.
Bei Wegzug in einen Staat der Europäischen Union wird die Möglichkeit eingeräumt, die entstandene Steuerschuld auf Antrag des Steuerpflichtigen bis zur tatsächlichen Veräußerung nicht festzusetzen.
6. SCHENKUNGEN
Bei Schenkungen und Erbschaften und damit im Zusammenhang stehenden Depotübertragungen kommt es zu keiner Veräußerungsgewinnbesteuerung. Es muss jedoch der Bank nachgewiesen werden, dass es sich um eine unentgeltliche Übertragung gehandelt hat (zB durch Schenkungsmeldung und/oder Schenkungsvertrag, Notariatsakt, Einantwortungsurkunde, etc).
7. VERLUSTAUSGLEICH
Inländische Banken haben für alle bei ihnen gehaltenen Depots eines Steuerpflichtigen (jedoch nicht bei Gemeinschaftsdepots), somit depotübergreifend, automatisch einen Verlustausgleich vorzunehmen. Dabei werden unter Berücksichtigung unten angeführter Verlustverwertungsregeln positive und negative Einkünfte aus Kapitalvermögen saldiert und der KESt-Abzug entsprechend angepasst (vermindert).
Hält der Steuerpflichtige bei verschiedenen Banken Depots oder befindet sich eines im Ausland, besteht für den Steuerpflichtigen im Rahmen seiner Steuererklärung die Möglichkeit der Verlustausgleichsoption, durch die bestimmte positive Einkünfte mit vorhandenen Verlusten ausgeglichen werden können.
Folgende Verlustausgleichsbeschränkungen sind zu beachten:
- Veräußerungsverluste bzw Verluste im Zusammenhang mit Derivaten können nicht mit Zinserträgen aus Geldeinlagen oder mit Zuwendungen aus Privatstiftungen verrechnet werden.
- Die mit dem Sondersteuersatz besteuerten Einkünfte aus Kapitalvermögen können nicht mit Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden, die dem progressiven Einkommensteuertarif unterliegen.
- Verluste aus Kapitalvermögen können nicht mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden.
- Ein Verlustvortrag in Folgejahre ist nicht möglich